1898 - Grossbrand

Verheerender Großbrand in Lemgo im Jahre 1898

Nach einem Bericht vom 15. September 1898 in der „Lippischen Post“ ertönte am Mittwoch, den 14. September mittags, kurz nach 1 Uhr die Feuerglocke. Feuerrufe wurden laut und die Signalhörner der Feuerwehren riefen deren Mitglieder zu Hilfe. Beim Betreten der Straße erkannte man an dem mächtig aufwallenden Dampf, dass ernste, große Gefahr vorhanden war.

Die Wirtschaft Strothmann an der westlichen Mittelstraße stand über und über in hellen Flammen. An Rettungsarbeiten war nicht mehr zu denken. Als die Spritze erschien, da herrschte wieder der alte, immer und immer wieder beklagte Übelstand „Wassermangel“. Auf dem Boden der Nachbarhäuser wurde mit Handspritzen gearbeitet.

Es herrschte starker Südwestwind. Dieser wirbelte brennende Stoffe weit über die Häuser hinweg und im Nu wurde das gegenüberliegende Haus Schmiede Stuckenbrock durch Flugfeuer angesteckt. Brennbare Stoffe waren in den dort vorhandenen Vorräten an Getreide, Stroh und dergleichen reichlich vorhanden. Aus den angrenzenden Häusern wurde das Mobiliar ausgeräumt. Plötzlich hieß es, es brenne bereits auf der Echternstraße (Schuhmacher Stukenbrock). Von dort aus sprang das Feuer über auf das Nachbargebäude Schneidermeister Schlue und auch die folgenden Häuser des Landwirtes Wolff und des Böttchers Kliewe wurden in rasendem Lauf von dem Feuer ergriffen. Ehe man überhaupt Vorkehrungen zum Löschen traf, brannten weitere 6 Häuser in der Neuen Grabenstraße.

Neben der Lemgoer Feuerwehr waren die telegraphisch aus Detmold und Lage herbeigerufenen Feuerwehren (Freiwillige Feuerwehr Lage und Schloßwehr Detmold mit Dampfspritze und Landspritze) im Einsatz. Die Detmolder Wehr soll pferdebespannt in 35 Minuten von Detmold nach Lemgo gefahren sein. Gegen 5 Uhr konnte man überall sehen, dass das Großfeuer erlosch und nur noch unter den Trümmern der Brand anhielt. Gegen 22:30 Uhr abends war auf dem Boden der Gerteschen Scheune nochmals ein Feuer zum Ausbruch gekommen, das aber sehr schnell gelöscht war."

Soweit der Inhalt des Berichtes vom Tage nach dem Großbrand in Lemgo.

Interessante Details enthalten Akten des Stadtarchivs Lemgo über der Schadenserhebung und -abwicklung.

Der Fürrstlichen Regierung in Detmold wird am 15.09.98 vom Magistrat der Stadt Lemo kurz schriftlich über den Brand berichtet. Taxatoren werden mit der Abschätzung des Schadens beauftragt und ein Aufruf veranlaßt, dass die Feuereimer von der Brandstätte abzuholden, Verluste aber binnen 3 Tagen zu melden sind. Nach den angestellten Ermittlungen werden dem Magistrat Ende Dezember 1898 als Ersatz für die abhanden gekommenen Feuereimer 29 Stück per Bahn von der Fürstl.-Lipp. Regierung übersandt.

Von der Gendarmerie-Station Lemgo wird ein erster Bericht an den Magistrat der Stadt am 15.09. abgesetzt. Über die Brandursache ist noch nichts bekannt. Nachforschungen nach einem evtl. Brandstifter werden fortgesetzt. In dem Bericht für Brandstiftungs-Untersuchungen wird festgestellt, dass „in den zerstörten Häusern insgesamt 24 Familien wohnten, die geretteten Sachen wurden in der Altstädter Kirche, dem Ballhaussaale und anderen Privathäusern untergebracht." Die größtenteils bestehende Dacheindeckung Ziegel in Strohdocken sowie die überwiegend vorhandenen Fachwerkbauweise begünstigten die schnelle Brandausbreitung.

Zur Entstehung im Haus Strothmann wird festgestellt, dass „Strothmann und ein Mieter das Feuer zuerst in einem unbenutzten Stalle wahrgenommen haben. In dem fraglichen Stall wurde am gleichen Morgen ein Teil ausgenutzen Bettstrohs eingelagert für eine Mietpartei, die am 1.10.98 bei Strothmann eine Mietwohnung beziehen wollte. Ob dieses Stroh Feuer gefangen hatte, konnte nicht festgestellt werden. Strothmann als auch sein Mieter hätten sich nicht verdächtig gemacht. Alle übrigen Häuser sind durch die Brandausbreitung infolge des starken Windes entzündet.“

In den folgenden Tagen werden Schäden beim Magistrat angemeldet. Es handelt sich um Brandschäden, sowie um Schäden, die beim Löschen entstanden sind. Bei den Löscharbeiten sind offensichtlich auch Schäden entstanden, die vermeidbar gewesen wären, es wurden aber auch Ansprüche angemeldet, die nicht gerechtfertigt waren. Sachen verschwanden, die nicht verbrannten oder nicht wieder auftauchten.

Unmittelbar nach dem Brand beginnen die Aufräumarbeiten. Am 21.09.98 wird durch Ausruf und durch Anzeige in der „Lippischen Post“ und dem „Lippischen Volksblatt“ bekanntgemacht, dass „am 23.09.98 vor dem Neuenthore das Brandholz meistbietend versteigert werden soll.“ Wiederverwertung war damals ein Gebot der Zeit. Das Holz wird in 73 Einzelportionen für insgesamt 394,30 Mark versteigert. Der Versteigerer erhält 5 Mark Gebühren während der Ausrufer 1 Mark Lohn erhält. Der Restbetrag von 388,30 wird vom Magistrat am 17.12.98 an die Fürstliche Lippische Brandkasse eingezahlt.

Am 29.09.98 wird von einem Anwohner und von dem Polizeidiener auf die Gefahr, die durch die Mauerreste infolge Einsturz besteht, hingewiesen. Es müssen sich auf den Ruinengebiet neben den mit Abbrucharbeiten beschäftigten Personen auch etliche neugierige Personen aufhalten, die durch Einstürze erheblich gefährdet sind. Der vom Magistrat mit der Überprüfung beauftragte Baumeister Weber stellt in seinem Bericht vom 29.09.98 fest, dass „die zumeist aus Wegesteinen und schlechtem Mörtel hergestellten, stehengebliebenen Umfassungen der abgebrannten Gebäude unter Einwirkung der letzten starken Regengüsse, welche den Mörtel aus den ohnehin schon zerstörten Mauerwerk ausgespült haben, erhebliche Sprünge zeigen.“ 6 Brandgeschädigte werden für den 30.09.98 von 13 bis 13:30 Uhr auf die Brandstelle bestellt und ihnen wird an Ort und Stelle Anweisung erteilt, was einzureißen ist. Die Abbruch- und Sicherungsarbeiten werden dann unverzüglich begonnen. Am 17.10.98 wird Vollzug gemeldet.

Zeitgleich sind die Taxatoren zur Feststellung der Brandschäden unterwegs und ermitteln die Schäden, die durch das Feuer und durch Rettungs- und Löscharbeiten entstanden sind. Am 24.09.98 leitet der Magistrat der Fürstlich Lippischen Regierung in Detmold einen Bericht über die Brandschäden zu. Schon am 29.09.98 erhält der Magistrat Mitteilung der Fürstlich-Lippischen-Regierung, dass die Brandentschädigung festgesetzt sei und über die Landesbrand-Versicherungsanstalt ausgezahlt werde, sobald der Wiederaufbau abgeschlossen sei. Die Erlaubnis zum Wiederaufbau sei sofort zu erteilen.

Die Reparatur- und Neubauarbeiten beginnen unverzüglich. Bereits Mitte November 1898 werden Fertigstellungen gemeldet und die Entschädigungen der Brandkasse ausbezahlt. Die letzte Abrechnung erfolgt im August 1900 an die Witwe Lange. Sie hatte an der Stelle der abgebrannten Gebäude zwei Wohnhäuser und zwei Stallungen erbaut, welche mit insgesamt 8.800 Mark zur Brandkasse abgeschätzt werden. Da diese Taxe die frühere bedeutend überschreitet, werden 4,543 Mark festgesetzte Entschädigung ausgezahlt.

Wegen der in Rechnung gestellten Leistungen muss der Magistrat in einigen Fällen schlichtend vermitteln zwischen Maurermeistern und Brandgeschädigten.

Bemerkenswert ist, daß der Fuhrmann H. Wof sein zerstörtes Wohnhaus in der Echternstraße nicht an der alten Stelle sondern draußen vor der Stadt auf dem Stönebrink neu errichtete.

Ende des Jahres 1898 werden dem Magistrat auch die Feuerlöschkosten, die vorher vom Brandmeister W. Schnakenbeck zusammengestellt wurden, allerdings nicht in voller Höhe anerkannt, ersetzt.

In einem Schriftwechsel vom März 1900 wird darauf hingewiesen, dass „dem Besitzer der neuerbauten Häuser, Stuckenbrock SB 89, Langenberg SB 203, Lange SB 108 und Strothmann RB 93 aufgegeben wird, nach Fertigstellung die Beschaffung neuer Feuereimer vorzunehmen.“ Da diese in den Häusern verbrannt sein sollen, wird die Lippische Regierung um Ersatz gebeten, da die betreffenden keine Inventarversicherung hatten.

Mit dem Schreiben vom 12.03.1900 wird dieser Antrag abgelehnt, weil der Verlust nicht innerhalb der gesetztlich vorgeschriebenen Frist von drei Tagen angemeldet wurde.

In dem zum größten Teil erhaltenen alten Stadtbild Lemgos sind die ersetzten Gebäude heute noch deutlich sichtbar.
   
Auf dem Auszug des Stadtplans ist die Brandentwicklung und das Außmaß der Schäden zu erkennen.